Von der Müritz nach Berlin

Das Wetter und die Zeit sind günstig für unsere 200 Kilometer lange Wasserwandertour über insgesamt 10 Etappen. Von unserem Wohnort in Berlin fahren wir mit der Bahn nach Waren am Nordufer der Müritz, im Gepäck unser aufblasbares Kajak und drei Seesäcke.

Tag 1 – Über die Müritz

Die Müritz als zweitgrößter See Deutschlands ist tatsächlich sehr groß. Kaum ist das Südufer zu erkennen. Wir brauchen für die Überquerung mit dem Boot von Nord nach Süd eine ganze Tagesetappe. Anfangs bei der Stadt Waren über die Binnenmüritz gibt es noch ordentlich Wellengang, dann wird der See so still, dass wir das Gefühl bekommen auf einem Spiegel aus Quecksilber zu gleiten. Wir paddeln das östliche, unbebaute und naturgeschützte Ufer entlang und können durch das glasklare Wasser bis zum Grund, Muscheln, Krebse und recht große Fische entdecken. Vom Ufer aus beobachten uns ein paar Hirsche und wir können den Seeadler beobachten, wie er sich sein Abendessen aus der Müritz fischt.

Zufrieden über unsere schöne erste Etappe beziehen wir Quartier auf einem Campingplatz am Südufer der Müritz.

Tag 2 – Nach Mirow

Wir verlassen die schöne Müritz durch den Bolter Kanal, müssen hier auch zum ersten Mal das Boot über eine Straße umtragen. Mit bis 32° Grad ist es heute sehr heiß, Es ist ein Tag voller Seerosen durch Kanäle, Caarpsee und Woterfitzsee im Wechsel. Wir können auch vielen Wasservögeln zusehen, vor allem da, wo Motorboote nicht erlaubt sind.

Als wir schließlich nach Süden in den Leppinsee einbiegen, bringt uns der starke Gegenwind etwas aus dem Konzept und wir brauchen erst einmal eine stärkende Bier-Pause, um frischen Mut zu sammeln.

Im Anschluß folgen die Seen, Mössel, der Große Kotzower See, der Kleine Kotzower See und das Ganzower Möschen (die Seen heißen hier wirklich so) bis hin zum Mirower See. Hier können wir beim Strandhotel entspannt zelten, inklusive Residenzschloss Mirow ganz in der Nähe. Auch gibt es hier direkt einen Badestrand mit Schwimmbad-Atmosphäre und Imbiss. Ein Must-Have ist dementsprechend die Currywurst mit Pommes rot-weiß.

Tag 3 – Nach Kleinzerlang

Weiter geht es über die Müritz-Havel-Wasserstraße, den Zotzensee und den Mössensee in den Vilzsee (wer sich diese See-Namen wohl ausgedacht hat?), wo wir das heutige tolle Badewetter am kleinen Badestrand ausgiebig nutzen.

Wir passieren unsere erste Schleuse und werden dabei wie in einer Art Schleusen-Tetris von dem Schleusenwärter zwischen kleinen bis sehr wuchtigen Motorbooten eingekästelt.

Über den recht großen Labussee ist es wieder ziemlich windig. Trotz Rückenwinds sind die Wellen doch höher und das Navigieren schwieriger. Gut dass hier am Ende des Sees ein Fischimbiss mit Anlegesteg zur kurzen Erholung auf uns wartet.

Es folgt eine weitere Schleusung, dann der Canower See und der Kleine Pälitzsee. Schließlich verlassen wir Mecklenburg Vorpommern und paddeln in Brandenburg ein.

Das schöne ist, dass es in Brandenburg als einzigem deutschen Bundesland erlaubt ist, eine Nacht als Wasserwanderer in freier Natur zu übernachten. Was wir uns gleich am Abend an einem verlassenem Rastplatz zu Nutze machen .

Tag 4 – Nach Rheinsberg

Jeder Tag ist anders und voller Überraschungen. Es regnet die Nacht über. Am Morgen regnet es immer noch und um die weitere Wettervorschau steht es schlecht. Beim Frühstück am überdachten Picknicktisch müssen wir uns also entscheiden. legen wir einen Tag Auszeit im schicken benachbarten Wellness-Resort ein oder wählen wir das Abenteuer.

Wir paddeln natürlich lieber los. Nebel steigt vom warmen Wasser auf. Es regnet gerade nur leicht, ab und an stellen wir uns unter Bäumen unter, wenn es wieder doller wird.

Im Hüttenkanal durchqueren wir eine automatische Schleuse, nur einmal den Hebel umlegen und warten was passiert… Es folgen der Große Prebelowsee, der Tietzowsee, der Jagowkanal, der Schlabornsee, der Repenter Kanal und der Rheinsberger See. Dieser ist wiederum so groß, dass es inmitten des Sees eine kleine Insel gibt, auf der wir rasten können. Hier kochen wir uns erstmal eine Nudelsuppe, um zu trocknen und uns wieder aufzuwärmen.

Am folgenden Grienericksee liegt links schließlich beeindruckend das Rheinsberger Schloss. Hinter dem Schloss biegen wir in den Schlossgraben ein und fahren geduckt unter zwei sehr niedrigen Brücken hindurch.

Ab hier dürfen nur noch Kajaks weiterfahren, da nach dem Umtragen über eine Straße der Rheinsberger Rhin beginnt. Der Rhin ist besonders naturgeschützt und man benötigt eine entsprechende Genehmigung vom Touristenbüro, da es nur für eine begrenzte Anzahl von Booten erlaubt ist, ihn täglich zu befahren.

Tag 5 – Rheinsberger Rhin

Der naturbelassener Wildwasserbach ist nur während bestimmter Monate im Sommer und Herbst, nur stromabwärts, nur bei ausreichendem Pegelstand, nur zu bestimmten Tageszeiten und nur für bestimmte Paddelboote zu befahren. Hatten wir die Genehmigung schon erwähnt? Da wir direkt beim Bootscamp am Rhin-Ufer übernachten, geht es gleich morgens los den insgesamt 18 km langen Rheinsberger Rhin zu bezwingen.

Die Strömung ist deutlich im engen und kurvenreichen Bach zu spüren, Es gleicht einem Hindernis-Parcour den vielen Bäumen und Steinen auszuweichen, die von oben, unten, rechts und links ins Wasser ragen. Voll auf beschäftigt mit Ausweichen, finden wir kaum Zeit die wunderschöne Natur zu betrachten, geschweige denn zu fotografieren. Marineblaue Libellen begleiten uns auf dem Weg durch die wildromantische Schilf- und Waldwelt.

Bei jedem Manöver, bei dem man auch mal wo anstößt oder drüber schrabst, sind wir auch etwas besorgt um unser Boot, schließlich ist es ein Aufblasbares. Es ist aber robust und schafft den Rhin ganz ohne Macken.

Am Ende der naturgeschützen Strecke kommt ein Wehr und wir müssen wieder Umtragen. Ab hier führt der Rhin nur noch so wenig Wasser, dass wir Treideln müssen, sprich aussteigen und schieben. Durch einen seitlichen Zulauf gibt es schließlich wieder genug Wasser um weiter zu paddeln, allerdings zunächst durch einen sehr schwarz morastigen Abschnitt. In diesen dunklen Minuten unserer Reise schweben ausgerechnet auch noch drei Krähen über unseren Köpfen.

Nach noch ein paar Baumhindernissen und dem Zufluß des Lindower Rhins wird der Fluss langsam wieder breiter und wir gelangen zu unserem Etappenziel dem Zermützelsee. Nach einem Bad im See gefällt es uns hier richtig gut am Campingplatz Rehwinkel, den wir bald in Fuchswinkel umbenennen, da hier Mutter Fuchs ganz selbstbewusst mit ihren Jungen über den Platz spaziert.

Tag 6 – Nach Altfriesack

Der Tag beginnt mit herrlichem Sonnenschein und kündigt einen perfekten Paddel-Tag an. Es ist windstill und wir fahren fast völlig allein vom Zermützelsee südlich durch den Rhin über den Tetzensee, Molchowsee und den nicht enden wollenden, langen Ruppiner See. Am Ufer haben die Menschen überall Seegrundstücke, die auch gerne mal von Familie Schwan, Familie Wildgans und Familie Ente besetzt werden.

Auch an der Schleuse Alt Ruppin ist nix los. „Für nur so ein kleines Paddelboot schmeiße ich die Schleuse nicht an!“ erklärt uns die Schleusenwärterin. Aber da hatten wir bereits mit der Bootsschleppe geliebäugelt. Die Lore ist leicht zu bedienen und flott sind wir vom Molchowsee wieder im Rhin. Bei Alt Ruppin lädt uns ein kleiner Badestrand zum Baden ein. Hier können wir auch in der Nähe unsere Proviant-Einkäufe tätigen.

Diese längste Etappe unserer Tour führt schließlich an Neuruppin vorbei. Viele Kilometer weiter, erreichen wir wieder eine Schleuse, diesmal sogar mit Zugbrücke. Wir sind spät dran, denn die letzte Schleusung war um 17 Uhr. Schlecht für uns, da sich unser Kanu-Camp für die Übernachtung direkt hinter der Schleuse befindet. Mit ein paar Extrakilometern können wir aber wieder per Lore einer Bootsslipanlage in einem parallelen Kanal umtragen und aussen herum paddeln. Der selten befahrene Parrallelweg erinnert zunächst an einen Bootsfriedhof, wird dann aber nochmal sehr sehenswert hübsch naturbelassen.

Unter dem großen Walnussbaum auf dem Zeltplatz des freundlichen Kanu-Camp-Betreibers sind wir sehr gut aufgehoben.

Tag 7 – Nach Kremmen

Die heutige Etappe ist eine Fahrt ins Ungewisse, denn wir wissen noch nicht, wo wir auf unserer Strecke unterkommen werden. Wir paddeln über den Bützsee, der so flach ist, dass man ihn quasi zu Fuß überqueren könnte. Auf dem Grund sehen wir wieder Muscheln, Krebse und Fische. Es folgt der schmale Bützrhin, der schließlich in den Kremmener Rhin übergeht.

Heute ist es wieder sehr heiß. Ab und an stellen wir uns unter einen Baumschatten zum Abkühlen ab. Heute ist außer uns genau noch ein weiteres Boot auf den Gewässern unterwegs. So alleine bewegen wir uns auf den schönen und einsamen Wasserwegen fort. Wir waren noch nicht in Kanada, aber so ähnlich wie hier, stellen wir uns es dort vor.

Am Kremmener See angekommen, werden wir Zeugen eines großen Politikums, dem Kremmen-Dilemma. Der einzig mögliche Strandzugang zum Kremmener See ist jetzt privatisiert. Nun bleibt den Kremmenern nur eine halb Meter breite Mini-Badestelle, die wir nun auch noch für unser heutiges Nachtlager belegen.

Auf unserem Rastplatz am Eingang des Ruppiner Kanals treffen wir Wolf mit seinem Hund, Der Weltumsegler hält uns mit seinen Abenteuern über den ganzen Globus in Atem. Gemeinsam können wir bei einem Becher Wein schließlich noch einen der seltenen Eisvögel vorbeifliegen sehen. Ein absolutes Highlight.

Tag 8 – Nach Oranienburg

Wir erwachen früh vom Sonnenaufgang und von dem Gesang unendlich vieler verschiedener Vogelstimmen, davon gut bekannte und aber auch vorher noch nie gehörte.

Die Morgenstimmung Richtung Osten auf dem Ruppiner Kanal hat etwas ganz besonderes, fast sphärisches. Der, wie mit dem Lineal gezogene, Kanal führt uns heute bis nach Oranienburg. Auf diesem Weg sind wir heute wirklich komplett allein. Die Schleusenwärter der beiden Schleusen sind dementsprechend froh über Kundschaft und plaudern gerne eine Runde mit uns.

In Oranienburg angekommen, wird es für uns noch einmal etwas tricky. Um zu einer Übernachtungsmöglichkeit zu gelangen, müssen wir vom Oranienburger Kanal zur Oranienburger Havel hinüber gelangen. Die Schleuse dafür ist aber noch im Bau. Daher tragen wir das Boot ganz inoffiziell die 100 Meter der schmalsten Stelle über einen Weg durch die Büsche zur anderen Seite hinüber.

Ein paar Schrammen, Mückenstiche und Kilometer später erfahren wir, dass man nicht mehr am Hafen des Oranienburger Schlosses übernachten kann. Dafür aber finden wir ein Plätzchen beim hiesigen Wassersportclub. Nach einer Badepause am Lehnitzsee lernen wir bei unserer Unterkunft noch Einiges an Boots- und Seglerlatein und dass wir nicht mehr als Individuum wahrgenommen, sondern nur noch über den Bootsnamen angesprochen werden„ „Einen Deckel auf Lotte?“

Tag 9 – Nach Spandau

Wir starten den Paddeltag wieder früh, denn nachmittags ist Gewitter vorausgesagt. Wir sind aber auch froh wieder mit uns und der Natur zu sein, zu viele Menschen sind gerade noch nicht so angesagt. Etwas Wehmut ist auch dabei, als wir die Havel hinunter fahren und noch einem Schlenker in den parallel fließenden Rhin machen, denn es ist unser vorletzter Tag auf dem Wasser.

Erst genießen wir noch, dann wird es aber sehr sportlich, um vor dem Gewitter beim Campingplatz in Berlin Spandau in Bestzeit anzukommen. Beim Betrachten unserer Oberarme haben sich hier im Laufe der Reise neue ungeahnte Formen gebildet.

Hinter Hennigsdorf und dem Nieder Neuendorfer See am Havel See angekommen, reicht es auch noch, um vor dem Regen schön im See zu baden, einzukaufen und das Zelt aufzubauen.

Es ist unser letzter Abend, morgen paddeln wir wieder nach Hause zurück. Wie günstig, dass es auf dem Campingplatz heute ein Sommerfest gibt, um auf unsere Tour anzustoßen. Hier feiern wir bei Zapfbier, alten Gassenhauern und netten Platznachbarn noch einen lustigen Abend.

Tag 10 – Nach Kreuzberg

Wir ziehen unser letztes gutes Hemd an, denn wir fahren heute in die Stadt. Der liebe Platzwart schließt für uns heute extra eine Stunde früher das Törchen auf, damit wir früh starten können, da es heute wieder sehr heiß wird.

Wir fahren die Havel hinunter an den Inseln des Tegeler Sees vorbei, dann zwischen Pionierinsel und Eiswerder hindurch und machen nochmal am letztmöglichen Strand in Haselhorst Pause, denn in der folgenden städtischen Umgebung sind Ausstiegsmöglichkeiten selten.

Ein weiteres wunderschönes Highlight unserer Reise ist der umringende Wassergraben der Zitadelle Spandau. In Spandau passieren wir auch unsere erste heutige Schleuse, recht komfortabel per Bootslore. Kurz danach biegen wir in die Spree ein. paddeln an Heizkraftwerk und Industriegebäuden vorbei bis zur gigantischen Schleuse Charlottenburg. Ab hier werden die Sehenswürdigkeiten innerstädtischer mit Belvedere und Schloss Charlottenburg,

Beim Einbiegen in den Landwehrkanal überholen uns die Ausflugsdampfer. Wir fahren an den Universitätsgebäuden vorbei, unter der Straße des 17. Junis hindurch und warten bis der Schleusenwärter der Unterschleuse grünes Licht gibt. Danach sehen wir die Volieren des Zoologischen Gartens, das Rosa-Luxemburg-Mahnmal, den Potsdamer Platz, den fliegenden Rosinenbomber vor dem Technikmuseum und die oberirdische U-Bahn vorbeigleiten bis wir am heimatlichen Urbahnhafen ankommen.

Hier legen wir an, lassen die Luft wieder aus dem Boot, packen alles zusammen und laufen, sehr zufrieden mit unserer Expedition, über die Brücke nach Hause.


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2 Kommentare

  1. Wolf MüllerFabian
    6. Juli 2022
    Antworten

    Wieder wunderschöne Fotos und ein interessanter Bericht über eine herausfordernde Kajakfahrt, eine tolle Leistung.
    Übrigens bin ich zwar ein Fahrtensegler,, aber kein Weltumsegler,… das war mir nie wichtig.
    Ich freue mich auf Samstag Wolf.

  2. Wolf MüllerFabian
    6. Juli 2022
    Antworten

    P.S.: Tetris musste ich erst im Internet googeln, das Spiel müsst Ihr mir noch erläutern…. Wolf

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